Seit Monaten lässt unsere Gesellschaft – lassen wir alle – einen Genozid nicht nur weiter geschehen, er wird unter anderem auch in unseren Städten und Orten produziert, finanziert und versichert. Er wird von „unseren“ Regierung befeuert und geschützt: Seit dem 7. Oktober 2023 hat Deutschland Waffen im Wert von 485 Millionen Euro an Israel geliefert.
Doch nach Jahrzehnten der Vertreibung, der Katastrophe, der Nakba:
Endlich verändert sich etwas im Verständnis der Leute.
Schaut man nur wenige Jahre zurück ist Palästina von unbesprechbar zu protestierbar geworden! Viele linke Räume die im festen Griff von Antideutschen waren werden sich langsam wieder angeeignet. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung ist gegen das Vorgehen Israels. Zuletzt demonstrieren 100.000 Menschen in Berlin für Palästina.
Gleichzeitig spüre ich die Frustration und Ohnmacht um mich herum. Trotz offizieller Einstufung als Genozid, trotz Hundert-Tausenden auf der Straße. – Oder gerade deswegen merken wir: materiell hat sich in Gaza, in Palästina und hier in Deutschland mit seinen Profiteuren des Genozids nicht viel verändert. Außer zynische Lippenbekenntnisse gefolgt von Repressionen. All die leeren Worte von angeblichen Waffenembargos denen de facto keine Taten folgen. Die deutsche Berichterstattung, die Worte und Taten von Regierenden: All das müssen wir verstehen als das was es ist: Ablenkung.
Wir können uns nicht weiter jahrzehntelang von kolonialer und imperialistischer Propaganda überfluten; uns nicht weiter von Diffamierungskampagnen und leeren Worten ablenken lassen!
Jetzt wo wir mehr und klarer werden – mehr Leute auf die Straße mobilisiert werden – gilt es nun, unseren Widerstand zu organisieren. Denn was bringen uns 100.000, wenn sie nicht bereit sind, die deutsche Normalität lahmzulegen? Wenn die Demo statt zu einem Streik zu werden, bloße Meinungsäußerung bleibt? Wenn selbst die nicht mal möglich ist: Wenn deine deine Analyse zu „radikal“ ist und du in der sogenannten Demokratie im Zweifel Schläge kassieren musst um sie zu äußern. Nur weil wir alle paar Jahre eine Regierung wählen heißt das nicht, das sie nicht einfach drauf scheißen können, was auf den Straßen passiert (wenn es so appellativ wie bisher passiert). Und sie tun, als würden sie irgendwelche ~westlichen Werte~ schützen, während sie uns mit unseren Steuergeldern zu Kompliz:innen eines Genozids machen.
Wir müssen materiell was verändern und uns organisieren; an die Orte gehen, in denen der Genozid produziert und ermöglicht wird. Zu den Waffenfabriken, an die Flughäfen, die ihre Produkte liefern und zu den Versicherungen, die in sie investieren und versichern: die Mittäter ohne die der Genozid so gar nicht möglich wäre.
Bestenfalls würden all die Menschen, die an den Häfen, Flughäfen und Fabriken arbeiten, in den Streik gehen, sobald auch nur ein Teil einer Waffe produziert oder transportiert werden soll. Oder: Wann Generalstreik in Deutschland? Nur ist in Deutschland politischer Streik rechtlich nicht erlaubt. Wenn Arbeiter:innen am Flughafen streiken würden, weil in einem Passagierflugzeug Waffenteile geliefert werden, haben sie nicht das Vertrauen, das die Gewerkschaften sie auch schützen. Sehnsüchtig schauen wir da nach Italien. Das deutsche Unvermögen ein Generalstreik zu führen ist etwas an dem wir arbeiten müssen. Wir können da aber nicht warten bis politische/ Generalstreiks rechtlich erlaubt sind (wäre ja gar nicht in Deutschlands Interesse das zu erlauben). Sondern er muss genau wie die anderen Rechte die wir im Moment haben, erprobt und erkämpft werden! Stand heute können uns Gewerkschaften und die Rechte – die sich hart erkämpft wurden – nicht vor Kompliz:innenschaft an einem Genozid schützen. Wir müssen unsere Macht begreifen, die wir im kapitalistischen System haben: Geschlossen die Arbeit niederzulegen ist eins der stärksten Mittel die wir haben und auch in Hinblick auf Sozialstaatsabbau, Kriegstreiberei, Zerstörung unserer Lebensgrundlagen oder Faschisierung ein Mittel, das wir erlernen müssen.
Aber dass wir Stand heute noch nicht so weit sind ist keine Ausrede, nicht schon jetzt mit anderen Strategien an die Orte der Genozidproduktion zu gehen:
Sei es Produktionsstätten von Waffenunternehmen, wie beispielsweise Elbit Systems. Es ist der größte private israelische Waffenhersteller und produziert auch direkt vor unserer Nase in Deutschland: in Ulm. Elbit Systems produzieren (in mehreren Ländern) rund 85% der Drohnen und bis zu 85% des Bodenequipments, das derzeit vom israelischen Militär im Gazastreifen eingesetzt wird.
Oder die Flughäfen, wie beispielsweise der Fraport oder der DHL-Flughafen in Leipzig, über die die besagten Waffen nach Israel geliefert werden. Am Frankfurter Flughafen wurde beispielsweise bekannt, dass die Fluggesellschaft El Al in einem ihrer Passagierflugzeuge auch Waffen mit in der Fracht transportierte. Und das ist nur einer der Fälle, der bekannt wurde. Es ist davon auszugehen, dass das viel öfter passiert, eben nur ohne Öffentlichkeit.
Oder Allianz, die Versicherung, von der man in so gut wie jeder Stadt eine Filiale findet. Sie versichern Elbit Systems und investieren in sie, womit Allianz Profit aus dem Genozid schlägt. Und ohne Versicherung kein Waffenunternehmen. Gleichzeitig sehe ich in der U-Bahn ihre Werbung: Saubermann-Image und Gesundheitstipps. Wer von den Mitarbeitenden oder Kund:innen weiß schon davon und wer von ihnen würde zustimmen, dass mit ihren Anlagen, statt der Sicherheit von Menschen, nur die Profite des Genozid geschützt werden? Im November 2025 steht eine Verlängerung des Vertrags von Allianz und Elbit Systems an. Die Kampagne ‚Keine Allianz mit Völkermord‘ setzt da an und versucht die Verlängerung abzuwenden. Wir müssen Allianz zeigen, dass aus Völkermord bald schon keine Profite mehr zu schlagen sind.
Im Herzen des Kapitals/ der Zerstörung – wie man so schön sagt – muss man nicht lange suchen um ein Ziel zu finden, auf das man Druck ausüben, boykottieren, bestreiken, sabotieren, unprofitabel machen, besetzen, blockieren oder skandalisieren kann. Elbit Systems, Allianz und die Flughäfen sind nur wenige von zahllosen Beispielen:
Liest man den UN-Bericht „From Economy of Occupation to Economy of Genocide“ (Von der Besatzungswirtschaft zur Völkermordwirtschaft) von Francesca Albanese, der zeigt, wie Unternehmen die Zerstörung Palästinas angeheizt und legitimiert haben, findet man mit Sicherheit nur ein paar Straßen von sich entfernt einen Ort der Genozidproduktion.
Eigentlich wollte ich noch Erfolge der Bewegungen teilen, die mir Mut machen, wenn ich die Ohnmacht über den deutschen Gehorsam spüre. Quasi „good news“ der Bewegung: Von der Global Sumud Flotilla, der Freedom Flotilla, der Kampagne Mask off Maersk die vom Palestine Youth Movement initiiert wurde, von Palestine Action UK oder den Ulmer 5. Und davon, wie Proteste und Streiks immer größer werden und während ich schreibe wieder Leute der Flotilla von Israel gekidnapped, und gleichzeitig immer neue Delegationen angekündigt werden. Aber für all das braucht es vielleicht eine andere Kolumne.
Bei welcher Form der Organisierung man sich im Endeffekt anschließt: es ist wichtig organisiert zu sein! Man braucht einen Ort, um gemeinsam zu lernen, Vertrauen aufzubauen; einen gemeinsamen Umgang mit Repressionen. Einen Ort um zu planen und zu reagieren: Wer sind die Menschen, die du triffst, wenn du erfährst, dass eine Flotilla wieder auf internationalen Gewässern gekidnappt wird und Hilfsgüter nicht nach Gaza kommen und die Aushungerung einer ganzen Bevölkerung weiter geht? Mit wem planst du, wenn die nächsten Journalist:innen oder Ärzt:innen ermordet werden? Wenn eine neue Waffenlieferung aus Deutschland ansteht?
Was ich sagen will: Dinge bewegen sich, verändern sich materiell, wenn wir uns organisieren und konkrete Ziele setzen. Wir dürfen uns nicht mehr ablenken lassen und nicht entmutigen. Genauso, wie Ohnmacht ansteckend ist ist es auch Mut und Handlung. Worauf warten wir?
Quellen und weiterführende Links:
https://keineallianzmitvoelkermord.org/
https://globalsumudflotilla.org
https://freedomflotilla.org/de/home-deutsch
Autor:in
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Alex (sie/ihr)
Ich bin Alex (Sie/Ihr) und durch die Klimagerechtigkeitsbewegung politisiert und in Lützerath radikalisiert. Im Moment studiere ich soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Migration und Flucht und arbeite als Assistenz für eine be_hinderte Freundin. In den letzten Jahren habe ich politisch – neben Klimagerechtigkeit – vor allem zu Anti-Militarismus und Palästina-Solidarität gearbeitet. Gerade interessiere ich mich für Care-Arbeit und Abolitionismus. Ich werde in meiner Kolumne darüber schreiben, was mich in unseren Bewegungen beschäftigt. Von guten Nachrichten und Errungenschaften bis zu Kritik an unseren Bubbles wird alles dabei sein. Ganz nach dem Motto: Wie können wir uns umeinander kümmern, um für ein gutes Leben für Alle zu Kämpfen?
Finde Alex auf Instagram unter @xela123455